Obwohl es uns schwerfällt, verlassen wir unser Paradies und machen uns auf den Weg nach Guinea. Nach der Lektüre vieler Reiseberichte sind wir uns nicht sicher, ob wir die "Straßen" von Guinea mit unserem Fahrzeug überhaupt schaffen. Doch der Anfang läuft erstmal ganz geschmeidig. Das Land selbst ist schön, hügelig, manchmal sogar bergig. Allerdings wird auch hier, wie überall in Afrika, viel abgeholzt, um Kohle für die Kochfeuer zu produzieren.
Doch leider findet die angenehme Straßenbeschaffenheit ein Ende, riesige und unzählige Schlaglöcher wechseln sich mit nicht mehr vorhandenem Asphalt ab. In der Regenzeit kann hier nur Schrittgeschwindigkeit gefahren werden, da niemand abschätzen kann, wie tief die manchmal bis 40 cm tiefen, mit Wasser gefüllten Schlaglöcher wirklich sind. Das ganze geht über weit mehr als 100 Kilometer! Doch es ist zu schaffen, auch mit unserem Möbelkoffer, und auf der anderen Seite lockt schwarzer Asphalt 😊😊😊!
Leider müssen wir nach Conakry in die Hauptstadt, um unser Carnet de Passage abstempeln zu lassen, obwohl das ein großer Umweg ist. Von Conakry sind wir geschockt: die Stadt fängt gefühlt schon 50 km vorher an, ein Häuser- und Hüttenmeer, die Luft ist durch die hunderttausende Kohlenfeuer furchtbar, die Augen tränen, der Hals kratzt, die Straßen sind eine Katastrohe, und es ist unglaublich laut - es wir gehupt, wenn man selbst überholt, wenn man überholt wird, wenn ein Fahrzeug rechts oder links an der Kreuzung steht, wenn Fußgänger am Straßenrand stehen ... also immer! Es vergehen keine 10 Sekunden, ohne eine Hupe zu hören. Alle Verkehrsteilnehmer sind genervt bis aggressiv, was sicher auch dem Dauerstress durch den Lärm geschuldet ist.
Doch am Flugplatz bekommen wir den Stempel ins Carnet und übernachten auch dort. Allerdings nicht ohne uns mindestens 20 Moskitos ins Wohnmobil eingeladen zu haben ... diese Nacht (sowie die Stadt) verdient keine weitere Beschreibung.
Weiter geht es Richtung der Grenze zu Sierra Leone. Wie sind wir froh, die Stadt hinter uns gelassen zu haben! Die Vegetation wird immer tropischer, als wir uns der Grenze nähern und es gefällt uns richtig gut. Die Formalitäten gehen souverän über die Bühne, zum ersten Mal wird nach Tigras Heimtierausweis gefragt 🤣🤣🤣.
Sierra Leone ist noch grüner als Guinea, zumindest hier. Wir fahren auf der Autobahn Richtung Freetown, um uns mit Alusine zu treffen, den wir ein Jahr zuvor an der Grenze zu Marokko kennengelernt haben. Doch nun nimmt das Unheil seinen Lauf: Wir werden von der Polizei auf die Gegenfahrbahn geleitet. Auf diesen beiden Spuren fließt der Verkehr nun in beide Richtungen, ohne Absperrungen dazwischen. Plötzlich kommen von links zwei Motorräder die Böschung hoch, beide halten kurz, das erste bleibt stehen, das zweite startet nach einem Blick nach links (woher normalerweise die Autos kommen) durch, um die Autobahn zu überqueren!
Der Mottorradfahrer schlägt fast mittig in die Front unseres LKWs ein, zertrümmert mit seinem unbehelmten Kopf die Windschutzscheibe und wird nach rechts geschleudert. Das Motorrad hat sich unter dem Stoßfänger verklemmt und wird noch einige Meter mitgeschleift, bevor wir zum Stehen kommen. Der Fahrer ist bewusstlos, eine kleine Menschenmenge findet sich sofort ein, auch die Polizei. das Opfer wird zwischen Fahrer und Beifahrer auf ein Motorrad gehievt (!!!!!) und zur nächsten Krankenstation gebracht. Wir werden zur zuständigen Polizeistation geleitet.
Dort wird uns gesagt, dass es erstmal, völlig unabhängig von der Schuldfrage, darum geht, das Leben des Mannes zu retten, was ja auch in unserem Sinn ist.
Mittlerweile ist Alusine hier, den wir informiert haben und der sofort mit dem Bus hergekommen ist. Über ihn lassen wir der Familie des Opfers Geld zukommen, um die Behandlung zu gewährleisten.
Am nächsten Tag: nichts Neues, außer dass wir eine Parkkralle verpasst bekommen. Und wir müssen ein Gutachten unseres Fahrzeugs machen lassen, dann können wir gehen.
Nächster Tag: Pustekuchen, Gutachten ist gemacht, gehen dürfen wir trotzdem nicht. Die Familie braucht mehr Geld, das wir auch geben.
Nächster Tag: Nichts Neues, unser Fahrzeug hat Thomas, zumindest für die kurze Strecke nach Freetown, zurechtgebastelt.
Nächster Tag: Richtig geraten, nichts Neues😒. Die Situation zehrt merklich an unseren Nerven. Der Motorradfahrer, der übrigens auf einem geliehenen Motorrad ohne Anmeldung und Versicherung und ohne Helm die Autobahn überqueren wollte, ist mittlerweile ansprechbar und klar im Kopf. Das sind gute Nachrichten!
Nach fünf Tagen dürfen wir unter Auflagen nach Freetown zu Alusine, um unser Auto vernünftig zu reparieren! Er und seine Familie heißen uns aufs aufs Herzlichste willkommen und Alusine begibt sich sofort auf die Jagd nach Ersatzteilen, Windschutzscheibe, Scheinwerfer, Kühlmittelbehälter, Kühlergrill und einiges mehr. Ohne ihn hätten wir das nie hinbekommen, weder auf der Polizeiwache noch die Teilebeschaffung! Vielen, vielen Dank dafür 🙏🙏🙏!
Einige Tage stehen wir dort im Hof, bevor wir wieder zur Wache fahren, um einen Abschluss mit der Familie hinzubekommen, da Jacob in ein paar Tagen zu Besuch kommt. Doch jetzt wollen sie die absurd hohe Summe von 12000 US Dollar!!!!! Es gibt weder eine Rechnung noch ein Kostenvoranschlag für weitere Behandlungen. Da wir mittlerweile auch mit dem behandelnden Arzt gesprochen haben, wissen wir, dass es dem Patienten soweit gut geht er auch keine bleibenden Schäden haben wird. Es geht nur darum, soviel Geld wie möglich aus den reichen Weißen rauszuquetschen. Dass wir keine Schuld an dem Unfall hatten und unsere Reparaturkosten auch vierstellig waren, interessiert niemanden.
Unser Plan steht fest: Jacob in Freetown am Flugplatz abholen und verschwinden! Wir sind beide der Meinung, dass dieser Albtraum sonst nie enden wird!
Und so machen wir es auch, wir verbringen eine Nacht vor zu Dritt am Flugplatz, weil Jacob sehr spät gelandet ist, und fahren sofort am nächsten Morgen über die Grenze nach Guinea! Dank der nichtvorhandenen Digitalisierung in Sierra Leone gibt es an der Grenze keine Probleme.
Zu Dritt beschließen wir, das Beste aus der Situation zu machen, das heißt, wir fahren relativ flott durch Guinea Richtung Senegal. Paradoxerweise wird uns in Guinea von Kindern mit einer Steinschleuder die 7 Tage alte Windschutzscheibe kaputtgeschossen!
Für Jacob wird es ein richtiger Roadtrip: 5 afrikanische Ländergrenzen in drei Tagen! Trotz allem genießen wir die gemeinsame Zeit sehr, obwohl alles ganz anders geplant war. Im Senegal angekommen fahren wir weiter nach Gambia, weil zum einen die Straßen dort besser sind, zum anderen weil wir mit Jacob Baboon Island besuchen wollen. Das sind 7 Inseln im Gambia River, die unter Naturschutz stehen und seit Jahrzehnten nicht mehr betreten werden dürfen. Hier treffen wir auch Mo wieder, den wir an der Grenze zum Senegal kennengelernt haben. Er ist mit Motorrad auf dem Rückweg von Ghana nach Deutschland.
Baboon Island ist bekannt für seine über 150 Schimpansen, die hier in mehreren Familienverbänden wohnen.
Wir bekommen auch Flusspferde, Pelikane und ein Krokodil zu sehen!
Von hier aus fahren wir nach Tanji ans Meer, bevor wir am nächsten Tag die nächste Grenze überqueren und zu unserem neuen Zuhause in der Casamance fahren. Jacob kann unsere Begeisterung für diesen Ort nachvollziehen, es gefällt ihm sehr gut. Ibu und Bouba heißen ihren "brother" willkommen 🥰🥰🥰! Mo ist auch hier, er wartet auf seinen Freund Alex, der ebenfalls mit dem Motorrad unterwegs ist.
Wir verbringen noch einige entspannte Tage miteinander, doch dann müssen wir Jacob leider schon wieder zum Flugplatz nach Banjul bringen.
Vielen Dank für deinen Besuch und deine gute Laune, trotz der ungeplanten Umstände🙏🙏🙏!
Unser Platz entwickelt sich munter weiter. Es entsteht eine Klärgrube fürs Abwasser, auch einige Stellplätze für Camper sind bereits angelegt.
Wir bekommen Camperbesuch von Thomas und Ute sowie von Andrea und Gaby.
Wir beschließen, unserem Wasserturm noch einen zweiten Abstellraum im der nächsten Etage zu spendieren. Diesmal machen wir da alles in Eigenregie, das hat auch bei der Klärgrube besser funktioniert als ein Komplettangebot wie beim Wasserturm, mit dessen baulicher Ausführung wir alles andere als zufrieden sind.
Da die Regenzeit immer näher rückt, treffen wir Vorbereitungen für unsere Abreise. Diesmal soll es zum "Regenzeitaussitzen" nur bis nach Marokko gehen. Kurz vor unserer Abfahrt erhält unser Grundstück ganz offiziell seinen Namen: WOULO TEMA KUNDA: Das ist Mandinka, die lokal am häufigsten geprochene Sprache und bedeutet ORT MITTEN IM WALD.